Im Zentrum des Schattenreichs: der Vulkan Krakatau
Wir sind seit einigen Tagen im Westen der Insel Java unterwegs, um uns einen Überblick über die Situation und die Caritas-Hilfen zu verschaffen. Als wir mit dem Team unserer lokalen Partnerorganisation KUN die Küstenstraße in Richtung Süden nehmen, verlieren wir den Berg nur selten aus dem Blick. Einer unserer Kollegen fixiert ihn nachdenklich, bevor er uns anschaut und zu uns sagt: “Willkommen in Mordor”. Er meint es als Anspielung auf den in „Herr der Ringe“ vorkommenden Megavulkan im Zentrum des Schattenreichs, in dem schließlich der mächtige Ring eingeschmolzen wird.
Der cineastische Vergleich (überhaupt scheinen die Indonesier ziemlich filmbegeistert zu sein) beschreibt gut, was die Menschen hier gerade denken. Denn der Vulkanberg ist vom stillen Wegbegleiter am Rande des Horizonts, der in der Regel ohne Folgen vor sich hingebrodelt hat, binnen eines Tages zu einem gefürchteten Monument des Schreckens geworden.
Die menschliche Psyche: Spezialistin der Verdrängung

Als wir mit den Sozialpsychologen und Doktoren unserer Partnerorganisation durch die Küstendörfer fahren, merken wir, wie schwer traumatisiert die Menschen hier sind. Auch wenn sie sich, wie ich schon in meinem ersten Beitrag geschrieben habe, ihren Humor stets bewahrt haben.
Viele können sich gar nicht mehr daran erinnern, wie sie vom Tsunami überrascht wurden und haben auch bei den Stunden danach Erinnerungslücken. Die Ereignisse haben sie weit weg von sich geschoben, weswegen sich die Caritas-Experten ihrer Psyche sehr behutsam nähern müssen.
Behandlung von Traumata
Die Helferinnen und Helfer versuchen, die Kinder spielerisch zu erreichen. Zwischendurch fragen sie in geschickter und sensibler Art und Weise deren Probleme ab: Wer die Welle gesehen hat, wer Alpträume hat oder immer noch Angst verspürt, an die Küste zu gehen. Einige Kinder sind auch motorisch noch in einer Art Schockstarre, der die Psychologen mit sportlichen Aktivitäten und viel Humor entgegen wirken.

Als Belohnung für ihre Geduld bekommen sie selbst von jenen Kindern ein herzhaftes Lachen zu hören, die offenbar besonders schwer an den Ereignissen zu knabbern haben.
Mit diesen Eindrücken im Gepäck reisen wir nach Sulawesi weiter, wo an einem Tag durch drei parallele Katastrophen mehrere Tausend Menschen ums Leben kamen: durch ein Erdbeben, einen Tsunami und mehrere riesige Bodenverflüssigungen. Eine Reise, deren Anblicke und Erlebnisse uns einerseits sehr mitnehmen werden, die uns aber andererseits zeigen wird, wie wichtig unsere Hilfe vor Ort ist.

Indonesien: Java, Banten
Über den Autor: Holger Vieth ist Politikwissenschaftler und ehemaliger Agenturjournalist. Er ist seit 2014 bei Caritas international als Pressereferent tätig.
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